Da die Pfosten, die wir zur Markierung der Kunst-Stellen schon vor einigen Wochen eingehauen hatten, von Anfang an immer wieder rausgerissen, in den See geworfen, zerstört wurden (und auch Kunstwerke, die im Laufe der Woche schon aufgebaut / installiert wurden, beschädigt oder gestohlen wurden), war mir klar, dass ich für die 3,5 Monate Ausstellungsdauer dort kein kleines, filigranes Land-Art-Projekt realisieren kann, sondern dass es etwas werden soll, was der Zerstörungswut ein bisschen Widerstand leistet oder - besser noch - gar keine Angriffsfläche bietet.
Oben neben dem morschen Baumstumpf fängt es an und schlängelt sich bis zum Ufer |
Das habe ich aufgegriffen und mit Baumstämmen einen Fluss nachgebildet. Er fängt oberhalb des Weges im Hang hinter einem riesigen morschen Baumstumpf an, fließt etliche Meter den Hang hinunter und setzt sich unterhalb des Weges schlängelnd fort. Im Uferbereich, der sich wie eine flache Halbinsel in den See schiebt, verzweigt sich mein Fluss zu einem Delta.
Am Freitag und am Samstag habe ich also am Bordesholmer See geschuftet. Es gibt in meinem Körper heute keinen Muskel, keine Sehne und kein Gelenk, das nicht weh tut. Aber ich habe zwei Tage bei schönem Wetter im Wald verbracht und es war wunderschön und ich war glücklich. Ich hatte die Erlaubnis bekommen Baumstämme, die beim Freischneiden von Wegen gefällt worden waren und im Unterholz lagen, zu verwenden. Manche waren aber dennoch zu lang und mussten zurechtgestutzt, sprich (mit der Handsäge!) gesägt, werden.
Das Land-Art-Werkzeug |
So sah es zwischendurch aus |
Und so am Ende oberhalb vom Weg |
So geht's unterhalb vom Weg weiter |
"Delta" im Uferbereich |
Verästelung in und über der Erde |
panta rhei – alles fließt wird dem griechischen Philosophen Heraklit zugeschrieben, der in den sog. „Flussfragmenten“
das Sein mit einem Fluss vergleicht:
„Wer in denselben Fluss steigt, dem fließt anderes und wieder anderes Wasser zu.“
„Wir steigen in denselben Fluss und doch nicht in denselben, wir sind es und wir sind es nicht.“
„Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.“
„Wer in denselben Fluss steigt, dem fließt anderes und wieder anderes Wasser zu.“
„Wir steigen in denselben Fluss und doch nicht in denselben, wir sind es und wir sind es nicht.“
„Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.“
Und was denke ich mir dabei? So einiges, was ich im Zusammenhang mit Kunst ja eher selten laut tue:
Alles, auch wir selbst, fließt, nichts
bleibt; alles ist im ewige Werden und Wandeln begriffen. Selbst die Erde fließt, der
vermeintlich feste Boden, auf dem wir stehen: Der Vulkanismus
treibt die Bewegung der Erdplatten an, Gebirge drücken sich hoch. Wind, Regen,
Frost führen zu Erosion, die die Gebirge wieder zum Fließen bringt (Stichwort
schwindender Permafrost), wieder abträgt. Ein ständiges Hin und Her im
Spielfeld der Kräfte.
Ich bin in der Vulkaneifel
geboren, einer von Lavaströmen und Vulkanausbrüchen geprägten
Landschaft
(mit ihrem - da, wo ich herkomme - schartigen, blasigen roten
Vulkangestein). Die Seen heißen dort Maare, und das Pulvermaar, mein
dortiges Schwimmgewässer, ist beeindruckende 72 Meter tief. Ich komme also aus dem Feuer, denke ich gern. Nun ist
die Holsteinische
Schweiz meine Wahlheimat, geprägt von Eiszeiten und Gletschern
(geschliffener
Kiesel), eine Moränenlandschaft. Unzählige Seen und links und rechts nicht weit zum Meer. Der See vor meiner Haustür, in dem ich jetzt schwimme, ist nur 8
Meter tief. Ich bin im Wasserland angekommen.
Bei allem Fließen und Wandeln sind wir Menschen meistens ganz froh, wenn sich nicht zu viel auf einmal verändert, wir suchen gern Sicherheit
im Statischen. Wie oft denken oder sagen wir, wenn es uns gut geht: Ach, so
könnt’s jetzt bleiben. Doch das funktioniert nicht.
Die moderne Welt hetzt: Immer einen Schritt voraus, immer "schnell, schnell", immer mehrere Dinge gleichzeitig am Laufen. Wie viele Menschen habe ich in den zwei Tagen im Wald gesehen, die mit Walkman auf den Ohren um den See joggen oder mit dem Handy vor der Nase um den See spazieren gehen? Sehr viele, Kinder wie Erwachsene. Viel zu viele, für meinen Geschmack.
Die hohe Kunst ist wohl die, im Fluss zu bleiben, sich dem Strom der Zeiten und Dinge, dem Wandel, hinzugeben und weder vorauszueilen (also zu hetzen), noch sich dagegen zu stemmen. Die hohe Kunst ist wohl die, sich vom Fluss tragen lassen.
Puh, so viel schreibe ich ja normalerweise nicht ...
Eine ganz wundervolle Idee für ein Natur-Kunstwerk, ich bin sehr beeindruckt! Die Bilder machen die ganze Arbeit deutlich, denn das Holz-Wasser fließt ja einen ziemlich langen Weg und wird durch die Baumwurzeln am See zum Delta! So schön ist der Gedanke dahinter!
AntwortenLöschenDa kann man nur hoffen, dass es nicht zerstört wird!
Liebe Grüße Ulrike
Welch ein Erlebnis für alle Sinne! Da würde ich täglich flanieren und mich im Fluss verlieren.
AntwortenLöschenDein Werk erinnert mich an die Wildnis Ausstellung und die Kompositionen von Richard Long. Du bist in bester Gesellschaft.
Ich hoffe inständig, dass es lange bestehen bleibt und vielleicht sogar einwächst.
Liebe Grüße Elvira
..sooooo schön, Elvira. Da muss ich hin, anschauen, nachspüren, erleben. Auch dein Text dazu ist so lebendig. Ein tolles Projekt! LG
AntwortenLöschenEin sehr beeindruckendes Projekt, besonders der deltaartige Übergang in den See. Gefällt mir sehr! Was Dein Handgelenk zu der ganzen Aktion gesagt hat, frag ich lieber nicht... Finde ich große Klasse, dass mit Försters grünem Licht ein solches Land Art Projekt umgesetzt werden konnte. Auch Deine Gedanken dazu gefallen mir, es macht Freude sich davon tragen zu lassen. Hoffentlich bleibt es unbeschädigt und lange bestehen. Herzliche Grüße, Eva
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